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Am 12. Juni bringen wir gemeinsam mit DiP mit der Veranstaltung „Rheinisches Revier trifft Mitteldeutschland“ zentrale Akteure der Bioökonomie aus zwei Regionen zusammen – mit dem Ziel, Wissen, Erfahrungen und Visionen zu teilen. Doch was verbirgt sich eigentlich hinter DiP? Dieses Projekt steht für „Digitalisierung pflanzlicher Wertschöpfungsketten“, das als zentraler Akteur des Strukturwandels in Süd-Sachsen-Anhalt neue Wege für eine nachhaltige, digital gestützte Bioökonomie entwickelt. 

Und im Vorfeld der Veranstaltung haben wir mit Henning Mertens und Anne-Karen Beck von DiP gesprochen – über die Herausforderungen und Chancen der Region sowie Synergien mit BioZ.



Was genau ist DiP – und was macht ihr? 

H: Ganz vereinfacht gesagt geht es bei DiP darum, pflanzliche Wertschöpfungsketten auszubauen, neue zu schaffen und diese durch Digitalisierung effizienter zu gestalten. Das Ganze eingebettet in den Strukturwandel in Süd-Sachsen-Anhalt. Unsere Vision ist es, eine Modellregion aufzubauen – für den Transfer von Forschungsergebnissen in die Praxis und in die Wirtschaft. Dabei spielt die Bioökonomie eine zentrale Rolle: Sie soll helfen, die Region zukunftsfähig zu machen. Und DiP ist eines der Kernprojekte in diesen Transformationsprozessen. 

A: Und dafür haben wir umfassende Fördermittel vom BMBF erhalten, mit denen wir aktuell in einer ersten Förderrunde 19 Einzelprojekte realisieren. Die Projekte liefern uns Forschungsergebnisse, die wir gemeinsam mit uns als Koordinierungsstelle – ähnlich wie bei BioZ – in die Anwendung bringen. Wir unterstützen die Projektteams also beim Matching z.B. mit potentiellen Marktpartnern, Anwendern oder Ähnlichem. 

Was genau hat es denn mit dem Begriff der „Digitalisierung“ auf sich in Bezug auf die Arbeit von DiP? 
H: Digitalisierung wirkt bei uns auf vielen Ebenen – zum Beispiel bei der Pflanzenzüchtung. Da kann zum Beispiel Künstliche Intelligenz dabei helfen, gezielter passende Sorten auszuwählen, was Prozesse enorm beschleunigt. Auch beim Pflanzenanbau sind digitale Lösungen längst angekommen: Drohnen, Sensoren oder Bildanalysen erkennen z.B. frühzeitig Nährstoffmängel oder Wasserbedarf und schlagen passende Maßnahmen vor. Auch für die Planung landwirtschaftlicher Flächen, wie z.B. die Platzierung von Baumreihen – für ökologische und ökonomische NachhaltigkeitNachhaltigkeit Nachhaltigkeit (sustainability) ist seit vielen Jahren ein Leitbild für politisches, wirtschaftliches und ökologisches Handeln. Von Anfang an wurden zahlreiche Definitionsversuche vorgenommen, die im Kern jedoch oft sehr ähnlich sind. Eine der meist gebrauchten Definitionen des Nachhaltigkeitsbegriffes ist die Definition des Brundtland-Berichtes der Vereinten Nationen von 1987 (Aachener Stiftung Kathy Beys 2015). In diesem heißt es: „Sustainable development is development that meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs.” (UN 1987). Frei übersetzt bedeutet dies: „Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die gewährleistet, dass zukünftige Generationen nicht schlechter gestellt sind, ihre Bedürfnisse zu befriedigen als gegenwärtig lebende.“ (Aachener Stiftung Kathy Beys 2015). Für die Zwecke des Zertifuchs ist die folgende Definition von Nachhaltigkeit praktikabel: Betriebspraktiken, die die Bedürfnisse der heutigen Nutzer erfüllen, ohne die Fähigkeit künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu erfüllen. Nachhaltige Praktiken unterstützen die ökologische, menschliche und wirtschaftliche Gesundheit und Vitalität (ITC Standards Map 2023).
In einigen Projekten wird auch hochpräzise Sensorik entwickelt, z. B. kann ein Samenkorn im MRT hochauflösend analysiert werden. Das bringt spannende und hilfreiche Erkenntnisse. 

A: Ein weiteres Schlagwort sind die „digitalen Zwillinge“ – also virtuelle 1:1-Kopien von Pflanzenmodellen, an denen man z.B. simulieren kann, wie sich Wind, Hitze oder Frost auswirken würden. Das lässt sich dann viel besser im Anbau nutzen, wenn das digital schonmal durchgespielt wurde.  
Generell ist „Digitalisierung“ ist für uns ein Sammelbegriff für eine ganz große Bandbreite an Technologien, die wir uns zu Nutze machen. 

Wie kam es überhaupt zur Idee für DiP? 

A: Was man vielleicht erstmal nicht denkt, wenn man „Sachsen-Anhalt“ hört, ist dass wir hier eine echte Hochburg der Pflanzenforschung sind – mit einer riesigen Genbank in Gatersleben (der zweitgrößten in ganz Europa) und zahlreichen Forschungseinrichtungen. Diese „Bubble“ bietet ideale Voraussetzungen, um innovative Projekte gebündelt anzugehen. Die Idee war: Lasst uns den Strukturwandel durch den Kohleausstieg als Chance nutzen und gemeinsam die Bioökonomie als Treiber einer wirtschaftlichen Transformation entwickeln. Also haben sich Vertreter aus der Wissenschaft, aus den Bundes- und Landesministerien sowie weitere Akteure zusammengesetzt und überlegt, welche Bausteine es braucht, um das im südlichen Sachsen-Anhalt modellhaft anzugehen. 

Seit 2021 arbeiten wir nun konkret zusammen. Dabei haben sich drei inhaltliche „Leuchttürme“ herauskristallisiert: landwirtschaftliche Kulturpflanzen; klimaresiliente Anbausysteme und Wertschöpfungskette Sonderkulturen– Letzteres z.B. mit Blick auf Arznei- oder Gewürzpflanzen. Unsere Region ist dafür perfekt geeignet – sie verfügt über hochwertige Böden, ist aber trocken und damit herausfordernd. Wenn’s also hier funktioniert, dann auch woanders. Deshalb werden wir als Modellregion gefördert – nicht im Sinne von Trial & Error, sondern mit einem klaren Systemansatz. 

Gibt es ein DiP-Projekt, das euch besonders begeistert? 

H: Das ist eine total schwere Frage! Wir betreuen alle 19 Projekte und hängen an jedem einzelnen. Alle haben ihren Anspruch, ihre Daseinsberechtigung und alle sind auch von einem sehr hohen Anspruch geprägt in der Region etwas Neues zu schaffen. Das heißt: die Projekte, die wir jetzt beispielhaft nennen, stehen immer stellvertretend für alle anderen. 

A: Was auch wirklich cool ist: Die Projekte arbeiten stark miteinander. Was bei Projekt A als Reststoff übrigbleibt, kann vielleicht Projekt B weiterverwenden. Das erzeugt echte Synergien! 

H: Ein Beispiel, was gut greifbar ist, ist das Projekt DiP-DiPlanD, bei dem es um veganes Vitamin D3 geht. Dieses wird heutzutage immer mehr als Zusatzstoff benötigt, weil Menschen heute eben viel zeit in geschlossenen Räumen verbringen und sich draußen vor Sonneneinstrahlung schützen – und dementsprechend einen Vitamin-D3-Mangel vorweisen. Deshalb müssen wir uns das Vitamin woanders herholen. Derzeit wird Vitamin D3 nämlich oft aus tierischen Quellen – z.B. Schafwolle – gewonnen. Aber in Zusammenarbeit sind Prof. Stangl von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und ein Team vom Leibniz IPB auf eine Pflanze gestoßen, die eine Vorstufe von Vitamin D3 produziert. Ziel von unserem Projekt ist es, diese Pflanze in der Region anzubauen und ein Verfahren zu entwickeln, um daraus pflanzliches Vitamin D3 zu gewinnen. 

A: Ein weiteres Beispiel ist unser Projekt DiP-SMART Agroforst, was sehr weit in die Region strahlt und eine „Restrukturierung“ der Landschaft empfiehlt – und zwar ganzheitlich. Die moderne Landwirtschaft hat viele Flächen stark vereinheitlicht. Aber mit Blick auf Klimaanpassung und BiodiversitätBiodiversität Alle die Biodiversität betreffenden Nachhaltigkeitsanforderungen. Biodiversität ist die Vielfalt lebender Organismen jeglicher Herkunft, u. a. aus terrestrischen, marinen und anderen aquatischen Ökosystemen und ökologischen Komplexen, zu denen sie gehören. Dazu gehört auch die Vielfalt innerhalb von Arten, zwischen Arten und die Vielfalt von Ökosystemen (ITC Standards Map 2023). braucht es neue Strukturen, damit die Erträge der Landwirtschaft effizient bestehen bleiben: Baumreihen, Hecken, Mischkulturen. Hierbei wird KI uns helfen neue „Vorschläge“ zu erzeugen, z.B. wo Baumreihen Sinn ergeben oder wie Agroforst-Systeme bewirtschaftet werden sollten. Dieses Projekt denkt das Thema nicht nur auf einem Acker, sondern regional. Es wird z.B. kartografiert, welche Strukturen vorhanden sind – inklusive Biodiversitätsaspekten. Ein echt spannendes Projekt! 

Und dann gibt es noch ein Projekt, das auch für die BioZ-Community besonders spannend ist – DiP-LeFOS. Aber mehr dazu wird bei der Veranstaltung am 12. Juni verraten – also an dieser Stelle nur ein kleiner Teaser…! 
 

Eine tolle Überleitung! Apropos Event: Wie ist denn die kommende Veranstaltung „Rheinisches Revier trifft Mitteldeutschland“ eigentlich entstanden? 

H: Viele Akteure aus BioZ und DiP arbeiten schon lange eng zusammen – es gibt viele inhaltliche Schnittstellen und gemeinsame Netzwerke. Der Wunsch, eine Veranstaltung zu machen, war also wirklich naheliegend. 

A: Genau! Wir haben einfach festgestellt: Unsere Themen passen super zusammen, und dann hat es zeitlich auch noch mit der Delegationsreise des Rheinischen Reviers gut gepasst. So können wir unsere Projekte gemeinsam sichtbarer machen und neue Kontakte knüpfen – ein echter Gewinn! 
 

Und welche Potenziale seht ihr über die Veranstaltung hinaus in der Zusammenarbeit mit BioZ? 

A: BioZ und DiP wollen halt wirklich was schaffen. Wir wollen beide nicht, dass Forschung im Labor stecken bleibt. Es geht uns darum Prozesse zu erforschen und breit-gesäte Anwendungen zu entwickeln, die einen innovativen Fußabdruck in der Region hinterlassen. Unsere DiP-Projekte enden meist bei TRL 6 – also bei einem Prototypen oder Pilotstatus. Und genau dort fängt BioZ an: Die Kolleg:innen begleiten Technologien auf dem Weg in den Markt. Wir reichen uns also buchstäblich den Staffelstab weiter. Und das funktioniert einfach gut, weil wir alle das gleiche Ziel verfolgen: Wir wollen die Bioökonomie voranbringen – mit echten Anwendungen und mit engagierten Menschen, die etwas verändern wollen. Wir helfen uns gegenseitig, vernetzen unsere Partner:innen, tauschen Know-how aus. Es passt einfach! 

H: Zudem ist die Bioökonomie in ihrer Vielfalt oft schwer zu greifen: Diese Wertschöpfungsnetze sind unglaublich komplex und diese in Anwendung und Umsetzung zu bringen ist wirklich wahnsinnig schwer. Deshalb ist es uns so wichtig, diese Anwendungen jetzt tatsächlich ins Rollen zu bringen und zusammenzuarbeiten. Denn wir stehen an einem fast historischen Punkt: Gemeinsam ist es uns gelungen, Aufmerksamkeit zu erzeugen und das Potenzial der Bioökonomie so überzeugend aufzuzeigen, dass sie inzwischen einen zentralen Platz im Strukturentwicklungsprogramm des Landes Sachsen-Anhalt einnimmt – und das sehr sichtbar. Das ist eine große Chance, denn erstmals tragen auch Verwaltung, Kommunen und regionale Netzwerke das Thema aktiv mit. Und genau dafür braucht es starke Partnerschaften wie die zwischen DiP und BioZ.


Wir bedanken uns ganz herzlich für das schöne Interview und die herzliche Zusammenarbeit! Auf dass sich noch mehr solcher Synergien finden, und wir weiterhin gemeinsam einen großen Schritt in Richtung Strukturwandel gehen.

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Zuletzt aktualisiert am: 21. Mai 2025, 16:51

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